Marktforschung und systemische Personal- und Organisationsentwicklung – ein Widerspruch?

Katrin Haake & Raimund Milz, Business Navigatoren GmbH Marktforschung und systemische Personal- und Organisationsentwicklung – ein Widerspruch? Früher war die Welt noch in Ordnung! Da war Personalentwicklung die Dömäne der Psychologen oder Sozialpädagogen, zur Teambildung zog man in den Klettergarten und Führungsfähigkeiten waren entweder angeboren oder nicht vorhanden. Dass es auch anders geht, beweisen die beiden anglo-australischen Wissenschaftler und Berater Prof. Dr. Dick McCann und Dr. Charles Margerison seit nunmehr über 30 Jahren. Die Gründer von TMS Team Management Systems aus Brisbane/AUS zeigen nicht nur, dass Organisations-, Personal-, Team- und Führungskräfteentwicklung nicht nur in einem wissenschaftlich fundierten und strukturierten Prozess erfolgreicher stattfinden kann. Auch mit der Erhebung und Auswertung der richtigen Daten können derartige Prozesse noch schneller und erfolgreicher gestaltet werden. Es zeigt sich, dass Marktforschung und Personalentwicklung einander näher sind als gedacht.

TMS

Das Akronym TMS (Team Management Systems) steht für ein integriertes Instrumentarium zur systemischen Organisations- und Personalentwicklung, das von den anglo-australischen Wissenschaftlern und Beratern Dr. Charles Margerison und Dr. Dick McCann entwickelt wurde. Grundlage ist ein auf Selbstbeschreibung beruhender Persönlichkeitstest (auch TMP Team Managemet Profil genannt) mit Aussagen zu Entscheidungsfindung, Informationsverarbeitung, Organisations- und Kommunikationsverhalten. Das Testverfahren erhebt den Anspruch, wissenschaftliche Gütekriterien zu erfüllen, die in verschiedenen unabhängigen Studien nachgewiesen wurden. Inhaber der weltweiten Rechte an TMS ist die TMS International Inc., Brisbane/AU. Für Europa ist Inhaber der Rechte und Lizenzen die tmsdi team management systems development international Ltd., York/UK.

Geschichte

Dr. Charles Margerison und Prof. Dr. Dick McCann entwickelten die grundlegenden Modelle und Instrumente von TMS zwischen 1985 und 1988 im Rahmen von Forschungs- und Beratungstätigkeiten an der Queensland University in Brisbane/AU. Nachfolgend gründeten Sie das Instiute of Team Management Studies (ITMS) in Brisbane, das die empirischen Forschungsergebnisse systematisch auswertet und dokumentiert. Das ITMS verfügt über eine Datenbasis der anonymisierten Aussagen und Daten von über 151.000 Führungskräften und Teammitgliedern aus über 160 Ländern in Asien, Amerika und Europa (Stand 2003), die ständig erweitert wird. Grundlegende Erkenntnis aus der systematischen Befragung dieser Personen war die länder-, unternehmens- und teamübergreifende Identifizierung von acht Arbeitsfunktionen (Types of Work), deren systematische Ausübung einen wesentlichen Beitrag zur effektiven Teamarbeit leistet. Erfolgsfaktoren - Hochleitungsteams In einer Weiterentwicklung der theoretischen Konzepte von C.G. Jung und des MBTI Meyer Briggs Typen Indikators (heute MBTI Assessment) wurde das Modell der Arbeitspräferenzen (Types of Work Preferences) entwickelt, das erstmalig bevorzugte Arbeitsweisen in den Zusammenhang des Arbeitsumfeldes stellt. Gleichzeitig wurde empirisch festgestellt, dass der MBTI selbst zur Herstellung dieses Zusammenhanges nicht geeignet ist, da sich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz und außerhalb des Arbeitsumfeldes häufig fundamental unterscheiden. Hierzu entwickelten Margerison/McCann den TMPF Team Management Profil Fragebogen, der es Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Arbeitspräferenzen im Bereich der 8 Arbeitsfunktionen zu identifizieren. Weitere Instrumente sind das

  • Modell der Linking skills, das grundlegende Führungsaufgaben in der Verbindung von Arbeitspräferenzen und Arbeitsfunktionen definiert.
  • Opportunity orientiation Profile QO2®, das die persönliche Risikoneigung beschreibt.
  • Window on Work Values Profile, mit dem der individuelle Wertekanon im Arbeitsumfeld beschrieben wird.

Modelle

Modell der Arbeitsfunktionen Mit diesem Modell werden 8 grundlegende Arbeitsfunktionen beschrieben, die - abhängig vom jeweiligen Geschäftsgegenstand mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausgestattet - einen wesentlichen Beitrag zu erfolgreicher und produktiver Arbeit im Team leisten. Die unseres Erachtens wichtigste Erkenntnis der einschlägigen Teamerfolgsforschung ist dabei, dass erfolgreiche Hochleistungsteams zwar Schwerpunkte bei bestimmten Arbeitsfunktionen legen (z.B. Werbeagenturen im Bereich Beraten, Innovieren und Promoten; Sicherheitsunternehmen im Bereich Umsetzen, Überwachen oder ). Gleichzeitig vernachlässigen sie aber auch keine Arbeitsfunktion (z.B. muss ein Sicherheitsunternehmen nicht nur kontrollieren und überwachen, sondern auch sehr kreative Lösungen die Prävention entwickeln): Erfolgsfaktoren - Das TMS-Modell der Arbeitsfunktionen Modell der Arbeitspräferenzen Auf der Grundlage eines psychometrischen Fragebogens mit 60 Fragen werden die persönlichen Arbeitspräferenzen ermittelt und in Zusammenhang mit dem Modell der Arbeitsfunktionen gesetzt. Dabei werden auf 4 Arbeitspräferenzskalen die individuellen Präferenzwerte abgetragen. Psychometrik der Arbeitspraeferenzen Übertragen auf das Modell der Arbeitsfunktionen ergibt sich aus den Skalenwerten eine eindeutige Korrelation zu den bevorzugten Arbeitsweisen:

Arbeitsweisen von Menschen - Das Modell der Arbeitspräferenzen

Wissenschaftliche Grundlagen

Das ITMS veröffentlicht seit 1995 in regelmäßigen Abständen (zuletzt im November 2010) die wissenschaftlichen Forschungsdaten von aktuell über 303.000 Interviewpartnern aus mehr als 190 Ländern und in über 20 Sprachen in einem umfangreichen „Research Manual“.

  1. Reliabilität (interne Konsistenz)
    1. Eine wissenschaftliche Untersuchung ist dann reliabel, d.h. konsistent und zuverlässig, wenn Sie bei Wiederholungen des Tests gleiche Ergebnisse liefert und keine Zufallsergebnisse.
    2. Das ITMS Research Manual zeigt eine interne Konsistenz nach Cronbach-Alpha in den ersten drei Spalten und Standard-Test-Retest-Koeffizienten in der vierten Spalte. Die Ergebnisse zeigen, dass der TMP-Fragebogen die vier Präferenz-Konstrukte für Teammitglieder und Führungskräfte in konsistenter Weise sowohl intern als auch im Zeitintervall misst.
    3. Einzelheiten zu diesen Studien können bei Davis (1988) verifiziert werden und mit Split-Half und KR 20 Koeffizienten verifiziert werden:
      1. Split Half bei 0.81, 0.88, 0.86 und 0.84
      2. KR-20 bei 0.81, 0.83, 0.85 und 0.77
  2. Konstruktvalidität
    1. Die Validität zeigt, ob der Fragebogen tatsächlich misst, was er zu messen versucht. Die mit Newman-Keuls ermittelte Konstruktvalidität erreichte in allen Bereichen das statistisch erforderlich Signifikanzniveau, teilweise wurde sie hochsignifikant.
    2. Die interne Konsistenzprüfung nach Cronbach-Alpha zeigt für die vier Skalen folgende Werte: 0.87, 0.85, 0.90 und 0.77
  3. Kontextvalidität

    Das Verfahren, die Messinstrumente und Fragebogen des TMS sind für Anwendungsbereiche im Rahmen des Arbeitsumfeldes konzipiert und validiert, eine Kontextvalidität darüber hinaus ist daher nicht gegeben.

  4. Face Validity
    1. Für arbeitsorientierte Messinstrumente spiegelt das Kriterium der augenscheinlichen Validität die vom Probanden wahrgenommene Brauchbarkeit oder Wahrnehmung der Ergebnisse als richtig und brauchbar/nützlich für die konkrete Arbeit wieder.
    2. Die augenscheinliche Validität des TMP-Fragebogens erreicht Werte zwischen 80% und 95%.
    3. Normierung

      Das TMS wurde ursprünglich im anglo-australischen Sprachraum entwickelt, beruht jedoch inzwischen auf empirischer Teamerfolgsforschung in über 80 Ländern und einem kulturunabhängigen Entwicklungsdesign der Testpsychometrie.

Erfahrungen aus der Praxis

Das TMS Instrumentariums darf in der Praxis nur durch zertifizierte und beim Lizenzinhaber für Europa, tmsdi Ltd., akkreditierte Trainer und Berater erfolgen. Typische Einsatzbereiche sind Persönliche Entwicklung und Personalentwicklung Das TMP gibt dem Probanden durch valide Aussagen zu seinen Arbeitspräferenzen in den Bereichen Entscheidungsfindung, Organisationsverhalten, Interaktion/Kommunikation und Informationsverarbeitung eine fundierte Grundlage zur Selbstreflexion und Analyse der Passung von Arbeitsumfeld, Aufgabenbereiche und Arbeitspräferenzen. Gleichzeitig wird das Verständnis für abweichende Arbeitspräferenzen und daraus resultierende Verhaltensweisen zum Beispiel im Kollegenkreis gestärkt. Ein beeindruckende Feststellung zeigt sich im Zitat eines unserer Teilnehmer: „Bisher dachte ich immer, Frau M... tickt nicht ganz richtig! Jetzt weiß ich, sie tickt nur anders!“ Zur Verbesserung von Führung und Zusammenarbeit können so individuelle Strategien abgeleitet werden, mit einem Wechsel der Perspektive auch die Position anderer Präferenzen nicht nur zu verstehen, sondern zielführend zu nutzen. Teambildung und –entwicklung Mit dem Modell der Arbeitsfunktionen lässt sich die für jede Organisationseinheit anfallende Arbeit hinsichtlich Inhalt, Umfang und Schwerpunktbildung sowie hinsichtlich der bestehenden Besetzung mit Ressourcen umfassend analysieren. Über-/Unterdeckungen hinsichtlich Ressourcen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen lassen sich leicht erkennen. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse lassen sich konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Teamleistung und gleichzeitig der Arbeitszufriedenheit ableiten. Organisationsentwicklung Neben dem zielführenderen Einsatz der vorhandenen Ressourcen können auf der Grundlage der gewonnen Erkenntnisse Arbeitsabläufe und Prozesse optimiert und der Ressourceneinsatz zielführend geplant werden.

Fazit

Mit den vorgestellten Methoden und Instrumenten lässt sich aus unserer Erfahrung sehr praxisorientiert arbeiten. Teambildung und -entwicklung entsteht nicht durch eine Anordnung des disziplinarischen Vorgesetzten, sondern durch einen strukturierten und an der realen Arbeitsumgebung orientierten Prozess. Im Gegensatz zu typischen Outdoor-Trainings ist eine weitere Transferleistung der Lerninhalte vom z.B. Klettergarten an den persönlichen Arbeitsplatz nicht mehr erforderlich. Es ist eben nicht realistisch, dass ein gesamtes Team im Dschungel mit einem Flugzeug abstürzt und nun einhändig Brücken bauen muss. Realistisch jedoch ist, sich klar zu machen, welche Arbeit konkret von dem Team erbracht werden muss, wo sind Schnittstellen innerhalb des Teams und nach außen, was funktioniert und was funktioniert nicht. Die Beantwortung der Frage nach dem „WARUM?“ und die Ableitung geeigneter Maßnahmen schafft das Mehr an Produktivität und macht ein TMS Training zu einer lohnenden Investition. Als erfreuliche Nebeneffekte werden nämlich nicht nur das Team entwickelt, sondern gleichzeitig und fast unmerklich auch die anfallende Arbeit transparent gemacht und Prozesse optimiert. Aus unserer Sicht geht es bei der professionellen Teamentwicklung auch nicht darum, aus allen Mitgliedern beste Freunde zu machen. Vielmehr geht es darum, im Team die Produktivität und die Arbeitszufriedenheit signifikant und nachhaltig zu steigern. Wenn sich bei den Teammitgliedern dabei neben mehr Zu- und Vertrauen auch mehr gegenseitige Zuneigung entwickelt, ist uns dies allerdings auch nicht unangenehm! Es zeigt sich, dass Techniken aus der Marktforschung mit denen der systemischen Organisations- und Personalentwicklung manchmal eine überraschende und gleichzeitig Erfolg versprechende Liaison eingehen können. Die wissenschaftliche fundierte und in der Praxis validierte Befragung von Individuen erzielt in der Praxis verwertbare Ergebnisse, die bei richtiger Methodik Arbeit erfolgreicher werden lassen. Wichtig erscheint aber auch die Beachtung des Grundsatzes, dass die Ergebnisse ausschließlich mit dem Befragungskontext korrelieren. Eine Übertragung der Ergebnisse in einen anderen Kontext ist - wie in der Marktforschung - auch in der Personal- und Organisationsentwicklung tunlichst zu vermeiden!

Über die Autoren

BusinessnavigatorenKatrin Haake und Raimund Milz unterstützen als Geschäftsführer der Business Navigatoren GmbH, Hannover, Unternehmen und Einzelpersonen seit 2009 in Veränderungsprozessen. Dabei folgen sie den Grundsätzen der nautischen Navigation, indem sie mit ihren Kunden realistische Veränderungsziele definieren, den Veränderungskurs festlegen und gemeinsam mit ihren Kunden lossegeln. Dass auf dem Weg zum rettenden Hafen der Kurs hier und da noch einmal korrigiert werden muss, versteht sich bei wechselnden Winden auch auf hoher See von selbst. Die Marketingexpertin und der gelernte Jurist sind zertifizierte und akkreditierte Trainer & Berater für TMS Team Management Systems nach Margerison/McCann und fokussieren sich auf Beratungsleistungen in den Bereichen Strategische Unternehmensführung, systemische Organisations- und Personalentwicklung sowie Marketing und Vertrieb.

Literatur

Cronbach, L.J.: „Co-efficient Alpha and the internal structure of tests“ Greensboro. Psychometrika, Vol. 16, 1951 Davies, R.V.: „The Margerison and McCann Team Management System: Handbook 1988/89“, York 1988/89 Davies, R.V.: „Team Management Systems Research Update No. 1.“, Brisbane ITMS, 1993a. Myers-Briggs, I.: „The Myers-Briggs Type Indicator“, Mountain View, 1976 Tscheuschner, M. und Wagner, H.: „TMS Der Weg zum Hochleistungsteam“, Offenbach 2008